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Kreditvergabe bei negativen Zinsen

Banken müssen auf ihre bei der EZB deponierten Überschussreserven negative Zinsen in Höhe von 0,4 Prozent bezahlen. Sie geben diese jedoch nicht in Form negativer Einlagezinsen an Verbraucher weiter, weil sie vermutlich den Unmut der Bevölkerung fürchten.

Ausgereizte Zinspolitik

Benoît Cœuré ist EZB-Vorstandsmitglied und rät von einer Ausnutzung des Leitzins-Spielraums ab. Er verweist darauf, dass die erwünschten Auswirkungen der Negativzinsen auf Inflation und Konjunktur zunehmend durch nicht gewollte Effekte im Bankensektor kompensiert werden. Weitere Zinssenkungen könnten aus der expansiven Geldpolitik eine Restriktive mit kontraproduktiven Auswirkungen machen. Da die Zinspolitik weitgehend ausgereizt ist, sollte in diesem Sektor zunächst Ruhe einkehren.

Banken stehen vor enormen Herausforderungen

Einerseits führen sie für Überschussreserven 0,4 Prozent Zinsen an die EZB ab, andererseits können sie aufgrund des Niedrigzinsniveaus kaum noch Gewinne erwirtschaften und verlieren ihre wichtigste Einnahmequelle.

Aus Sicht von Benoît Cœuré bleiben den Banken zwei Möglichkeiten, um den Herausforderungen zu begegnen.

EZB-Politik zwingt zum Eingang höherer Risiken

Die Geldhäuser müssen ihre Erträge steigern und dies funktioniert aus empirischer Betrachtung nur mit höherer Risikobereitschaft. Die Institute könnten beispielsweise bei Kreditvergaben nicht ganz so strenge Maßstäbe anlegen oder weniger liquide Wirtschaftsgüter erwerben. Die Banken werden allerdings dadurch anfälliger, obgleich sie damit Impulse für die gesamtwirtschaftliche Investitionstätigkeit aussenden. Zudem fördert billiges Geld die Spekulationsneigung ebenso wie die Blasenbildung bei Aktien oder Immobilien. Insgesamt führen alle Faktoren zu einer Unterminierung der Finanzstabilität.

Kostensenkung als Alternative

Um den Folgen der EZB-Zinspolitik zu begegnen, können Banken alternativ ihre Kosten senken, indem sie Geschäftssektoren abstoßen, fusionieren, Filialen schließen und Personal freistellen. Weitere Einsparoptionen ergeben sich aus der fortschreitenden Digitalisierung. Der Sektor wird dadurch zwangsweise schrumpfen.

Der aktuelle Stresstest der EBA (European Banking Authority) hat gezeigt, dass die meisten europäischen Banken bei erneuten Turbulenzen in Bedrängnis geraten würden. Nur wenige Institute konnten bislang aus Gewinnen notwendiges Eigenkapital aufbauen, gleichzeitig zeigen Bankaktien auf breiter Front fallende Notierungen.

Negative Zinsen – ein großer Widerspruch

Gerade der erste beschriebene Aspekt ist aus meiner Sicht widersinnig. Einerseits hätte es die EZB gerne, dass mehr Kredite vergeben werden, um die Investitionstätigkeit und damit die Wirtschaft anzukurbeln. Deswegen hat Sie negative Zinsen eingeführt. Auf der anderen Seite werden durch diverse andere Maßnahmen (z.B. Basel III) die Möglichkeiten eingeschränkt. Sollen nun die Banken gezwungen werden, anderen Marktteilnehmern Kredite regelrecht „aufzuschwätzen“ – auch solchen, die nicht unbedingt kreditwürdig sind? Ist das nicht ein Grund gewesen für die letzte Finanzkrise? In Amerika waren die Kreditvergaberichtlinien nämlich längst nicht so streng wie hier und es wurden viele Kredite an Menschen vergeben, die hierzulande wohl keinen bekommen hätten. Und was dann passiert ist, wissen wir alle. Und allem Anschein nach regt die die EZB durch Ihre Politik genau solches Verhalten an.

Tja, und dann kommt da zu guter Letzt noch die neue Immobilienkreditrichtlinie, durch die die Vergabe von Immobilienkrediten erschwert wird. Grundsätzlich ja keine ganz schlechte Sache, nur wie passt das zu der EZB-Politik, die ja die Kreditvergabe fördern will? Wirkt alles etwas unkoordiniert – mindestens…

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